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23. November 2022
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Medienmitteilung der Staatskanzlei
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Kanton Bern setzt Zeichen der Erinnerung

In enger Zusammenarbeit mit Gemeinden, Schulbehörden, kirchlichen Organisationen und im Dialog mit Betroffenen und Opfern erinnert der Kanton Bern an die Zeit fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. Fünf Teilprojekte ermöglichen die Beschäftigung mit einem schwierigen Kapitel der Geschichte und richten gleichzeitig den Blick nach vorne, damit sich solches Unrecht nie wieder ereignet. Das Berner Zeichen der Erinnerung wird am 25. Mai 2023 lanciert.

Eine von Grossrat Hervé Gullotti (SP) eingereichte Motion beauftragt den Kanton Bern, einen Gedächtnisort für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen zu schaffen. Sie wurde im November 2019 als Postulat mit einem überwältigenden Mehr von 131 zu 9 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Der Regierungsrat übertrug in der Folge der Staatskanzlei den Auftrag, einen Vorschlag für ein Berner Zeichen der Erinnerung zu entwickeln.

Die gesetzliche Grundlage dafür bildet das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG). Es besteht seit März 2017, sieht die Auszahlung eines Solidaritätsbeitrages an Opfer der erwähnten Massnahmen vor und verpflichtet den Bund, sich dafür einzusetzen, dass die Kantone Zeichen der Erinnerung schaffen.

Fünf Teilprojekte als Berner Zeichen der Erinnerung

Nun steht das Berner Zeichen der Erinnerung vor der Realisierung: Die eingesetzte Projektgruppe unter der Federführung des Staatsarchivs des Kantons Bern und der privaten «Für Angelegenheiten GmbH» hat ein Konzept erarbeitet, das vom Regierungsrat freigegeben wurde. Mitinvolvierte Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Opfergruppen (Fremdplatzierte, Heimkinder, administrativ Versorgte, Zwangsadoptierte, Jenische und Fahrende) haben das Vorhaben positiv aufgenommen und arbeiten im Rahmen eines Beirats aktiv mit.

Das Berner Zeichen der Erinnerung besteht aus fünf Teilprojekten, die in enger Zusammenarbeit mit Gemeinden, Schulbehörden, kirchlichen Organisationen und mit Betroffenen und Opfern umgesetzt werden:

  • Erinnerungstafel: Eine vom Berner Grafiker Claude Kuhn gestaltete Erinnerungstafel kann von den Gemeinden, Schulen oder Kirchgemeinden an einem selber zu bestimmenden Ort angebracht werden und soll Anlass sein für einen generationenübergreifenden Dialog.
  • Plakatausstellung: Begleitet von einem stimmigen Rahmenprogramm soll in möglichst allen Berner Gemeinden eine Ausstellung von rund 20 Themenplakaten stattfinden. Ziel der von Claude Kuhn in Zusammenarbeit mit dem Büro für Fotografiegeschichte Bern gestalteten Ausstellung ist die Verbindung eines historischen Themas mit konkreten Biografien und zukunftsgerichteten Fragen.
  • Unterrichtsmaterialien: In enger Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Bern, dem Staatsarchiv des Kantons Bern und dem Austausch- und Informationsprojekt «Erzählbistro» sollen junge Menschen durch diese Unterlagen und durch die Begegnung mit Betroffenen und Opfern für Recht und Unrecht in gesellschaftlichen Zusammenhängen sensibilisiert werden.
  • Webseite: Eine informative Webseite wird einzelne Fragen und Themen vertiefter beleuchten und als Themenkiosk für eine breite Öffentlichkeit funktionieren. Für den Betrieb der Webseite konnte das Schulmuseum in Köniz gewonnen werden.
  • Lancierungsanlass: Am 25. Mai 2023 wird das Zeichen der Erinnerung im Schlosshof Köniz zeitgleich mit Veranstaltungen in möglichst vielen weiteren Berner Gemeinden offiziell lanciert.

Für das Berner Zeichen der Erinnerung setzt der Kanton Bern 257'000 Franken ein. Das Projekt wird darüber hinaus von der Burgergemeinde Bern, der GVB-Kulturstiftung, der Ernst Göhner Stiftung und der Allgemeinen Plakatgesellschaft APG unterstützt.

Viele Opfer im Kanton Bern

Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts waren in der Schweiz zahlreiche Kinder und Jugendliche sowie junge Frauen und Männer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen betroffen. Es ist unbestritten, dass dies in einigen Fällen zum Wohle von allen Beteiligten gelang und für Verdingte, Verdingende und Gastfamilien zu einem Glücksfall wurde.

Doch viele der erwähnten Betroffenen wurden zu Opfern. Es wurde ihnen während Jahrzehnten unter den Augen der für die Aufsicht von Massnahmen überforderten oder gleichgültigen Verantwortlichen nachhaltig schweres Leid und Unrecht zugefügt. Dieses bestand aus Verachtung, Ausgrenzung, Ausbeutung, Willkür, massiver Beeinträchtigung physischer oder psychischer Integrität bis hin zu schweren sexuellen Übergriffen.

Gut 10‘000 nachweisliche, noch lebende Opfer haben inzwischen gestützt auf das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG) von der Eidgenossenschaft einen Solidaritätsbeitrag von CHF 25‘000 erhalten. Rund ein Fünftel und damit ein vor dem Hintergrund der Gesamtzahl von Betroffenen hoher Anteil dieser Personen stammt aus dem Kanton Bern.

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